Predikan i domkyrkan i Münster

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Ärkebiskop Antjes predikan (på tyska) i den ekumeniska gudstjänsten i domkyrkan i Münster, Tyskland, under Katholikentag: https://www.katholikentag.de/aktuell_2018.html

Gott behütet all seine Glieder (Psalm 34:21)

Katholikentag, Münster, 11. Mai 2018
(Es gilt das gesprochene Wort)

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen!

Es ist wahrlich eine Freude und eine Ehre, als Erzbischöfin der Schwedischen Kirche hier im Dom zu Münster beim zentralen ökumenischen Gottesdienst des 101. Deutschen Katholikentages zu predigen. Wenn wir zusammen Ökumene feiern und Ökumene auch über den Katholikentag hinaus zu gestalten versuchen, dann stehen wir auf den Schultern derer, die uns vorangegangen sind. Eine Person, die ich in der Hinsicht besonders gern nennen möchte, ist mein Vorgänger Nathan Söderblom, Erzbischof der Schwedischen Kirche von 1914 bis 1931.

Dass zu seiner Zeit der Nationalismus über Glauben und Kultur siegte und sogenannte christliche Nationen in den Krieg gegeneinander trieb, war ihm ungeheuerlich. Söderblom fühlte sich zum ökumenischen Friedensstiften berufen. Er suchte den Frieden und jagte ihm nach. Seine Arbeit konnte nicht den zweiten Weltkrieg verhindern, hat aber trotzdem unentbehrliche Impulse für die ökumenische Arbeit gegeben und ihm den Friedensnobelpreis eingetragen. Im Jahre 1925 fand in Stockholm auf seine Initiative hin ein bis dahin einzigartiges ökumenisches Treffen statt. Fast 700 Delegierte von orthodoxen und evangelischen Kirchen aus aller Welt kamen zusammen. Katholische Vertreter fehlten damals noch, was Nathan Söderblom zu dem beflügelten Ausspruch veranlasste: Johannes (die Orthodoxen) und Paulus (die Protestanten) sind hier; Petrus säumt noch. Als dann 1989 zum ersten Mal ein Papst Skandinavien besuchte, begrüßte ihn der damalige schwedische Erzbischof mit den freudigen Worten: „Heute ist Petrus zu uns gekommen, und er heißt Johannes Paulus.“ Und 2018 sagen wir: nicht nur Petrus, Johannes und Paulus müssen in der Ökumene dabei sein, sondern auch Petra, Johanna und Paula!

Am 31. Oktober 2016 wurde ein ermutigendes Kapitel ökumenischer Kirchengeschichte geschrieben. Zum Auftakt des 500jährigen Reformationsgedenkens trafen sich Papst Franziskus und die Leitung des Lutherischen Weltbundes im schwedischen Lund zu einem ökumenischen Gottesdienst. Der Papst und der damalige Präsident des Lutherischen Weltbundes, Bischof Munib Younan, unterzeichneten eine gemeinsame Erklärung; die Hilfsorganisationen Caritas und World Service beschlossen nähere Zusammenarbeit.

Das alles wäre unmöglich ohne all die Menschen, die an der Basis unserer Gemeinden nicht nur auf ökumenische Gemeinschaft drängen, sondern sie auch leben. Es wäre auch nicht möglich ohne fünf Jahrzehnte geduldigen und gezielten Dialogs zwischen Katholiken und Lutheranern. So haben wir nun nicht nur eine gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre, die inzwischen auch weit über die katholisch-lutherische Übereinkunft hinaus anerkannt ist. In der Schrift „Vom Konflikt zur Gemeinschaft“ haben wir jetzt auch fünf Imperative, die uns in vielen Beziehungen eine Hilfe sein können. Sie sagen uns:

1.      Immer von der Perspektive der Einheit und nicht von der Perspektive der Spaltung ausgehen, auch wenn es viel leichter ist, die Unterschiede zu sehen.

2.      Uns selbst ständig durch die Begegnung mit dem Anderen und durch das gegenseitige Zeugnis des Glaubens verändern lassen.

3.      Uns erneut dazu verpflichten, die sichtbare Einheit zu suchen.

4.      Gemeinsam die Kraft des Evangeliums Jesu Christi für unsere Zeit wiederentdecken.

5.      In der Verkündigung und im Dienst an der Welt zusammen Zeugnis für Gottes Gnade ablegen.

Lassen wir uns also nicht beirren in unserem Streben nach Einheit aller Glieder der Kirche! Lassen wir uns nicht hindern, gemeinsam in Wort und Tat die Gnade und Barmherzigkeit Gottes zu bezeugen! Hindernisse gibt’s. Zum Beispiel die vier gefährlichen „Ps“: Polarisierung, Populismus, Protektionismus und Postfaktizität. Diese vier gefährlichen „Ps“ reißen Wunden auf und brechen Glieder: Erlösung wird vermarktet, Menschen werden verfolgt, verkauft, gehandelt, die Schöpfung wird misshandelt und verschachert. Das Bild Gottes, das in der Schöpfung sichtbar ist, wird nach wie vor entstellt durch Gewalt und Missbrauch, durch extremistische Ideologie – auch im Namen der Religion – durch den Verlust der Würde, der Artenvielfalt, durch die schleppende Reaktion auf den Klimawandel, durch die sich immer weiter öffnende Schere zwischen Menschen, die über Wohlstand, Bildung und Macht verfügen oder eben nicht, durch die systematische Verbreitung von Lügen.

Und genau in diese Wirklichkeit platzt unser Predigttext hinein: Gott behütet all seine Glieder. Wirklich? Bei so viel Wunden? Bei so viel erstarrten Gliedern? Der Psalm, dem unser Predigtwort entnommen ist, ringt mit Erfahrungen von Gebrochenheit, Armut und Lüge. Und hält trotzdem daran fest: Gott ist den zerbrochenen Herzen nahe und hilft denen auf, die zerknirscht sind (Ps 34:19). Glieder werden behütet, nicht eines zerbrochen – eine Zusage, an die sich der Evangelist Johannes offenbar erinnert, als er berichtet, dass der zu Tode gefolterte Leib Christi vom Kreuz genommen wird, ohne dass ihm Knochen gebrochen wurden (Joh 19: 31-36). Der Mut unseres Glaubens: Bewahrung auch im Tode.

Aber hier und jetzt, zwischen Himmelfahrt und Pfingsten, geht es uns vor allem ums Leben.

Dem englischen Erzbischof Stephen Langton wird oft die bekannte Pfingstsequenz Veni Sancte Spiritus zugeschrieben. 800 Jahre ist dieses Gebet alt. In der Übertragung von Maria Luise Thurmair und Markus Jenny heißt es da (Gotteslob 344):

Wärme du, was kalt und hart,
löse, was in sich erstarrt.

Pfingsten ist ein Prachtbeispiel dafür, wie Gott mit erstarrten Gliedern umgeht. Nach Karfreitag waren die Apostel zunächst erstarrt vor Schreck. Golgatha, dann leeres Grab, Erfahrungen mit dem Auferstandenen, vorsichtige Freude – aber auch sehr verwundbar. Angst vor den politischen Autoritäten, Angst davor, lächerlich gemacht zu werden, Angst vor dem eigenen Mut. Widersprüchliche Gefühle, keine klaren Zukunftspläne. Menschen, die in einem Meer von Unverständnis treiben. Multikulturelle Umgebung. Fremdheit. Kulturkollisionen. In so einem Klima kommt es leicht zu Gewalthandlungen. Erstarrte Glieder, oder gar zerbrochene. Obwohl Gott all seine Glieder behütet.

An Pfingsten dreht plötzlich der Wind. Die alten Enttäuschungen und Ängste fliegen zur Tür hinaus. Ein ungeahntes Verstehen beginnt. Sprach- und Kulturgrenzen werden überwunden. So etwas geschieht auch heute. In Kirchen und Gemeinden. In Gesellschaften und Familien, in unserem eigenen Denken und Fühlen. Lass starre Glieder wieder geschmeidig werden!

Wärme du, was kalt und hart,
löse, was in sich erstarrt!

So werden wir Pfingstmenschen. Menschen, die mit berechtigten Ängsten gut umgehen können – und dabei die Angst vor dem Fehlermachen überwinden. Denn oft ist es die Angst vor dem Fehlermachen, die uns zu erstarrten Gliedern macht.

Im Urlaub habe ich mich mal damit amüsiert, Sudokus online zu lösen. Zunächst ging ich auf die Homepage einer schwedischen Tageszeitung. Sobald die letzte Zahl am richtigen Platz gelandet war, erschien auf meinem Bildschirm der Text: „Grattis. Du har löst Sudokun.“ Gratuliere, du hast das Sudoku gelöst. Da bist du zufrieden und fühlst dich gut: ich bin eine Problemlöserin! Danach machte ich ein Sudoku auf der Homepage einer deutschen Zeitung. Sobald die letzte Ziffer am richtigen Platz war, kam auch hier ein Text. „0 Fehler“ stand da. In Rot! Hm, dachte ich, das Beste, was ich hier erreichen kann, ist 0 Fehler. 0, nichts. Ich habe eigentlich nichts anderes erreicht, als Fehler zu vermeiden. Ich bin ein 0-Fehler-Mensch.

Ist das eigentlich christlich? Ich finde nicht. Christenmenschen sind keine 0-Fehler Menschen. Keiner von uns ist fehlerfrei. Und unser Hauptinteresse kann nicht sein, um jeden Preis Fehler zu vermeiden. Dann werden wir nämlich kalt und hart und unser Inneres erstarrt. Und wir machen es Gott schwerer, seine Glieder zu behüten. Stattdessen beten wir lieber das Pfingstgebet:

Wärme du, was kalt und hart,
löse, was in sich erstarrt.

Lieber Fehler machen als gar nichts machen. Wir sind alle auf Vergebung angewiesen, egal ob wir ½ oder 52 ½ Fehler machen. Wir sind nicht fehler-orientierte Menschen, sondern Grattis-orientierte Menschen. Glückwunsch-orientierte Menschen. Orientiert am Glückwunsch des Heiligen Geistes: der kommt uns entgegen, aus unserer Taufe, ja in jedem Wind der wärmt, was kalt und hart, und löst, was in sich erstarrt. Wir sind keine Fehler-Menschen sondern Grattis-Menschen.

Grattis, liebe Gemeinde, wir sind zu gratulieren. Gratis, aus Gnade, will Gottes Heiliger Geist uns so ergreifen, dass warm wird, was kalt und hart, gelöst wird, was erstarrt, und wir frei atmen können. Behütete Glieder sind Glieder, die geschmeidig Gottes Liebe zu leben wagen. Gott behütet seine Glieder und schenkt uns dabei einen richtig langen Atem.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unser Begreifen und Verstehen, bewahre uns in Christus Jesus. Amen.